Fasziniert und kritisch zugleich

 

Manfred Baumann ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Krimi-Autoren. Seine Salzburg-Krimis mit Kommissar Merana als Ermittler genießen Kult-Status. Der vierte Band der Reihe, „Drachenjungfrau“, wurde im Rahmen der Land Krimi-Serie des ORF verfilmt – mit Manuel Rubey und „Buhlschaft“ Stefanie Reinsperger in den Hauptrollen.

 

 

Schreiben wollte Manfred Baumann immer schon. Als er im zarten Volksschulalter endlich die gewünschte Schreibmaschine bekam, war das erste, was er darauf schrieb, dann auch ein Krimi. Die Reaktionen auf die fertige Geschichte, die der junge Manfred anderntags stolz in der Schule vortrug, waren zwar bescheiden, wie er sich heute amüsiert erinnert, dennoch schien der Weg vorgezeichnet: Er wollte Krimi-Autor werden.

 

Doch wie so oft kommt dann eine so genannte „normale“ Karriere in die Quere. So scheint es zumindest, denn Baumann war insgesamt 35 Jahre beim ORF tätig, bevor er 2014 auf eigenen Wunsch ausschied. Der Job – zuletzt leitete er die Kreativabteilung und die Abteilung Volkskultur – und die immer zeitintensivere Leidenschaft des Krimischreibens, sie ließen sich einfach nicht mehr miteinander vereinbaren.

 

Dabei war auch Baumanns Eintrittskarte in den ORF ein Krimi gewesen. Im Rahmen des damals beliebten Features der „Funkerzählung“ hatte er in den späten 1970ern ein Kriminalhörspiel eingereicht. Mit Erfolg. Sein Drei-Personen-Stück wurde gesendet. Eines allerdings hatte er nicht bedacht: Das Hörspiel wurde nach Minuten bezahlt. Obwohl damals 30 Minuten zur Verfügung standen, dauerte sein Stück nur 22 Minuten. „Ich dachte mir: Du Trottel, hättest du die drei einfach 8 Minuten später sterben lassen “, erzählt er lachend. „Mein nächstes Hörspiel dauerte dann 40 Minuten und musste gekürzt werden.“

 

Baumanns Talent für Figurenzeichnung und Dramaturgie, das sich damals schon zeigte, blieb auch in ORF Kreisen nicht unentdeckt. Man bot ihm an, Rezensionen zu schreiben. Es folgten andere, redaktionell intensivere Tätigkeiten. Und ehe er es sich versah, steckte er in einem 40-Stunden-Job. Aber der erste Kriminalroman? Der ließ auf sich warten. „Dafür war einfach nie Zeit.“ Zu sehr war er in das tägliche Programm des Senders eingebunden.

 

Die entscheidende Wende erfuhr Baumanns Geschichte dann in den 1990er Jahren, als

Donna Leon mit ihren Venedig-Krimis zu einem beispiellosen Siegeszug innerhalb der Kriminal-Literatur ansetzte. Baumann als großer Venedig- und Krimi-Fan war begeistert.

„Wie man eine Stadt literarisch so leben lassen kann, hat mich riesig fasziniert.“

Plötzlich die Eingebung: So etwas müsste sich doch auch mit Salzburg bewerkstelligen lassen. Und Baumann probierte es. Um die vierzig Seiten des heute unter dem Titel „Jedermanntod“ bekannten ersten Merana-Krimis entstanden. Damals trug er noch den Titel „Tod in Salzburg“.

 

Die Idee dahinter war so einfach wie brilliant: Eine Leiche liegt auf dem Domplatz. Es ist der Tod aus dem Jedermann. „Sich zu fragen, wer dem Tod den Tod geschickt hat – das gefiel mir.“ So richtig zünden wollte die Idee zunächst trotzdem nicht. Baumann ließ es wieder sein. Der ORF-Job hatte einfach Priorität, und die ersten vierzig Seiten wanderten in die Schublade.

Dann, einige Jahre später, der Schock: Aus der Zeitung erfuhr Baumann davon, dass Wolf Haas nächster Brenner-Krimi „Silentium“ in Salzburg spielen würde.

 

Er hätte sich ohrfeigen können. „Aus, vorbei, dachte ich. Jetzt ist es zu spät. Unverzeihlich, so lange gewartet zu haben…“ Als sich dann aber herausstellte, dass Silentium kein Salzburg-Krimi a la Donna Leon würde, sondern dass Haas seinen Helden einfach für ein Abenteuer in den Salzburger Sumpf aus Verbrechen und Korruption gesetzt hatte, witterte Baumann eine zweite Chance. Doch die Zeit drängte: „Wenn du jetzt nicht anfängst, schreibst du es nie wieder, sagte ich mir.“ Und das tat er. Der Rest ist Krimi-Geschichte.

 

Fünf Merana-Romane und mehrere Erzähl-Bände gibt es inzwischen. Die Annahme, „Salzburg böte genauso viel Atmosphäre wie Venedig“ hat sich somit eindrucksvoll bestätigt. Zumindest die Merana-Krimis folgen dabei alle demselben Formel: Zuerst kommt der Tatort. „Steht der einmal fest, ergibt sich die Geschichte von selbst“, so Baumann. Kein Wunder, dass die Tatorte für Salzburg-Kenner beinahe logisch klingen: Zuerst also der Domplatz, dann der Fürstentisch in Hellbrunn („Wasserspiele“) .In „Zauberflötenrache“ schließlich stirbt die Königin der Nacht auf der Festspielbühne. Spätestens wenn in „Mozartkugelkomplott“ ein Schauspieler in Mozarts Geburtshaus stirbt – auf dem Kopf eine Mozartperücke, in der Hand eine Mozartkugel – fragt man sich, ob das nicht ein wenig übertrieben ist. „Freilich. Ein bisschen schon, das gebe ich zu“, lenkt der Autor ein. Aber: Die Verortung gäbe ihm die Möglichkeit, im Zuge der Recherche viel über den Ort, dessen Flair und die dahinterstehende Geschichte erzählen. Und genau das ist es, was den Reiz von Baumanns Krimis ausmacht: Man kann dem vordergründigen Plot folgen und die Spannung genießen, und zugleich kann man in die reichhaltige Kulturgeschichte eintauchen, die sich rundherum rankt. Und aus einem Schema kann man ja auch ausbrechen: So für Meranas vierten Fall „Drachenjungfrau“, der erst neulich als Salzburg-Ausgabe des ORF Landkrimis im Fernsehen zu sehen war. Baumann war dafür nach langer Zeit wieder einmal nach Krimml gefahren, und hat sich sofort aufs Neue in die Gegend verliebt. “Als ich die Magie und die Wucht des Wasserfalles wahrnahm, – war mir sofort klar, dass das Buch hier spielen muss.“ Dass der ORF aufsprang, bezeichnet er als Glückssache. Mit der Verfilmung ist Manfred Baumann sehr zufrieden, und nicht wenige Fans hoffen, dass der ersten eine weitere folgen wird.

 

Aber, wollen wir zum Abschluss wissen, wie viel hat der beliebte Ermittler eigentlich von Baumann selbst? „Doch einiges“, gibt er zu. Neben der Liebe für Kultur und guten Wein sei es vor allem der Blick von außen: „Mir war von Anfang an klar, dass ich einen Ermittler will, der wie ich nicht in Salzburg aufgewachsen ist. Ich wollte ihm etwas mitgeben, was für diese Stadt auch ganz charakteristisch ist: die Italianitá, die schon im Namen mitschwingt.“ Eine ganz klare Parallele: Baumanns Eltern sind Südtiroler, eine Urgroßmutter Italienerin. „So setzte ich ihn in den Pinzgau, wo es ja auch die geographische Nähe zu Italien gibt.

 

Wie auch ich,“ sagt der gebürtige Halleiner, „hat auch Merana seine Bewunderung, das Fasziniertsein von Salzburg nie abgelegt, sich gleichzeitig aber einen kritischen Blick bewahrt. Und eines noch: wir machen beide alles zu 120%.“

 

 

Manfred Baumann

Neben seiner Tätigkeit als Krimi-Autor ist Manfred Baumann noch als Moderator und Kabarettist tätig. Donna Leon war zwar für die Entstehungsgeschichte seiner Krimis wichtig, seine Lieblingsautoren im Krimifach sind allerdings eindeutig Georges Simenon, Agatha Christie und Henning Mankell. Manfred Baumanns Bücher, zuletzt der Kräuterkrimi „Salbei, Dill und Totengrün“, sind im Gmeiner Verlag erschienen.