Ein fast idealer Platz
Thaddäus Ropac hat von Salzburg aus die internationale Kunstwelt erobert. Mit vision.salzburg sprach der Galerist über einzigartige Magie, ausgebrannte Künstler und die Kunst als Mitte des Lebens.
Ihre Galerien genießen weltweiten Ruf, Sie stellen internationale Top-Kümstler aus. Sie hätten also leicht nach New York oder London gehen können, blieben aber immer auch in Salzburg. Warum?
Das hat keinen emotionalen und auch keinen monetären Grund. Logistisch gesehen ist Salzburg ein eher problematischer Standpunkt, weil die Flugverbindungen schlecht sind, die Arbeit aber, die wir machen, eine internationale ist, und die Künstler, die wir ausstellen, auf der ganzen Welt verstreut sind: In Asien, im mittleren Osten, Südamerika… Trotzdem gehört das Stammhaus einfach nach Salzburg und das wird sich auch nie ändern. Hier nahm alles seinen Anfang.
Ist es Ihnen als Wahl-Pariser hier nicht zu provinziell?
Das Wort „provinziell“ mit Salzburg in Verbindung zu bringen ist banal. Salzburg ist nicht provinziell. Viele große Künstler und Literaten waren über die Jahrhunderte von dieser Stadt geradezu magisch angezogen.
Was macht die Stadt für Sie aus?
Salzburg ist für mich ein fast idealer Platz. Es hat alle Vorteile einer Kleinstadt und gleichzeitig die Energie eines besonderen Ortes. Außer Venedig fällt mir kein zweites Beispiel ein. Es gibt kaum Plätze derselben Größe, die im 20. Jahrhundert so inspirierend waren wie Salzburg. Es hat große Künstler zu Großartigem angestiftet. Die Magie Salzburgs in unbeschreiblich und einzigartig. Nichts was in Salzburg geschieht, geht einfach so an mir vorbei. Obwohl ich Kärntner bin, hege ich ein sehr starkes heimatliches Gefühl zu Salzburg.
Es gibt da dieses Klischee, eine Galerie müsse in der besten Gegend einer Stadt situiert sein. Sie haben bewiesen, dass es auch anders geht, dass Leute auch in eine verkehrstechnisch schlecht angebundene Industriezone (Pantin in Paris, Anm.) pilgern, um Kunst zu sehen. Was muss man tun, damit das geschieht?
Außergewöhnliches zeigen. Egal in welchem Bereich man heutzutage tätig ist, man muss den Menschen das Gefühl vermitteln, dass es sich lohnt. Jede Ausstellung die wir bis jetzt in Paris gemacht haben, wurde von 5.000-14.000 Menschen besucht. Das ist mit kleineren Museen vergleichbar – und das an einem Ort, wo man sich teilweise wirklich wundert, wie die Leute dort hinkommen. Wir haben neulich auch ein kleines Café aufgemacht, weil die Leute dort einfach gerne Ihre Zeit verbringen und es im näheren Umkreis nichts gibt. An sich eine öde Gegend. Und jetzt, nachdem wir nicht einmal ganz zwei Jahre mit unserer Galerie dort sind, tut sich auf einmal etwas, Menschen wollen dort hinziehen. Wir sind also mitverantwortlich für die Aufwertung der Gegend.
In einer derartig großen Kesselfabrik Kunst zu zeigen, hat etwas sehr Spektakuläres. Wie groß muss Kunst gezeigt werden? Gibt es auch Grenzen?
Die Grenzen sind noch nicht erreicht. Die Künstler geben uns bestimmte Vorstellungen vor, und wir sind eine Art Servicebetrieb der Kunst. Wir versuchen also den Künstlern zu helfen, ihre Visionen umzusetzen. Wenn das bestimmte Gegebenheiten braucht, dann müssen wir die liefern. Wenn wir Vorstellungen limitieren, machen wir unseren Job nicht gut. Hätte mir jemand vor zehn Jahren erzählt, dass er eine Galerie mit 5000 m2 eröffnet, die acht Gebäude umfasst, hätte ich ihn für verrückt erklärt.
Gibt es auch eine Kehrseite der Medaille? Sehnen Sie sich manchmal an die intimeren Zeiten von früher zurück?
Es gab wenige Perioden, die den Kunsthandel so verändert haben, als diese dreißig Jahre, in denen ich dabei bin. Die Kunst war damals, als ich anfing, einer intellektuellen Elite vorbehalten. Heute jedoch ist die Kunst in der Mitte des Lebens angekommen. Sie hat die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt. Und das ist gut so.
Finden Sie nicht, dass junge Künstler heutzutage zu marktorientiert denken und arbeiten?
Ja, absolut. Vor kurzem war ich an die Harvard University eingeladen, einen Vortrag zu halten. Das Thema: Der Unterschied der Entwicklung der Kunst in Europa und in Amerika. Nach einer halben Stunde haben mich die Studenten unterbrochen: „Ja, das ist zwar interessant“, haben sie gesagt, „aber wir haben eigentlich etwas anderes erwartet!“
„Heute ist die Kunst in der Mitte des Lebens angekommen. Sie hat die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt.“
Und zwar?
Dass ich ihnen erkläre, wie man der nächste Jeff Koons wird. Ich war sprachlos. Als ich dann über den Markt gesprochen habe, wurde es auf einmal lebendig im Hörsaal. Für mich war das ein unglaubliches Erlebnis. In Europa gibt es diese gewisse Brutalität der Erfolgsorientierung nicht. Für die Amerikaner ist Erfolg etwas, das sich in den Medien und natürlich auch preislich niederschlägt. Ob das eine gesunde Herangehensweise ist, bezweifle ich. Ich denke junge Künstler brauchen Zeit um zu reifen, da sie sonst der Gefahr ausgesetzt sind, ausgebrannt zu werden. Das passiert leider oft. Junge Künstler kommen auf den Markt und wenn sie nicht sofort hohe Preise erzielen, wird schon gefragt, was falsch läuft. Mit 30 haben die teilweise schon die zweite Karriere hinter sich. Wie sollen diese Menschen jemals 80 Jahre alt werden?
Georg Baselitz hat einmal gesagt, ein ganz wesentlicher Teil seines Könnens resultiert aus seiner Erziehungsresistenz. Wie unbelehrbar muss ein guter Galerist sein?
Ich werde immer wieder gefragt, wie ich ohne kunsthistorische oder fachliche Ausbildung „überlebe“. Ob denn das der ideale Weg wäre und diesen als den wegweisenden Weg bezeichnen kann. Ich sage immer: „Es ist einer von vielen“. Ich habe einfach begonnen, ohne in irgendeiner Weise geschult gewesen zu sein. Learning by Doing. Somit habe ich auch keine „Erziehung“ in dem Sinn erlebt. Für mich war das, wie mein Erfolg beweist, der richtige Weg. Ich würde das aber keinesfalls verallgemeinern wollen.
Über künstlerische Vorlieben zu reden, ist für einen Galeristen immer schwierig. Verraten Sie und trotzdem, welcher Künstler für Sie persönlich besonders prägte und weshalb?
Wenn ich mich auf einen Künstler und seinen Einfluss auf mich reduzieren müsste, dann wäre das sicher Joseph Beuys. Als Jugendlicher habe ich von Beuys gehört und bin nach Wien gefahren, um die Gastvorlesungen, die er an der Angewandten hielt, zu hören. Ich habe diesen unglaublichen Künstler, Menschen und Philosophen also live erlebt. Er war auch der Grund, weshalb ich mir ein Praktikum in Berlin erkämpfte. Gleichzeitig hat mich das Buch „Die Schule des Sehens“ von Oskar Kokoschka auf die Sommerakademie aufmerksam gemacht. Kokoschka schrieb darin, dass jeder das Potential zum Künstler hat. Er nahm also vorweg, was Beuys später wesentlich größer und umfassender behauptete. Beuys war sicher der Grund, waarum ich nach Salzburg ging und Galerist wurde.
Jahre später haben Sie den so verehrten Künstler selbst ausgestellt. Was war das für ein Gefühl?
Dass ich diese von mir so geliebten Dinge wirklich einmal selber ausstellen kann, war natürlich ein großes Glücksgefühl. Das hätte ich mir so nie erhofft.
Eine im letzten Jahr veröffentliche Biographie hat versucht, an Beuys´ Ansehen zu kratzen, indem sie ihm eine Verklärung des Dritten Reiches vorwarf. Hat Sie das geärgert?
Es hat mich geärgert, ja, weil es eine Verzerrung der Tatsachen ist. Die Nähe zu einem Sammler so zu verdrehen, dass man dann Beuys eine Nähe zur Nazi-Ideologie nachsagen kann, ist einfach absurd. Karl Ströher war einer von vielen, die im Beuysschen Umkreis waren und ihn bewundert und begleitet haben. Beuys vorzuwerfen, diese Leute nicht sorgfältiger geprüft zu haben ist unverschämt. Vor allem jetzt, da beide tot sind. Da kann man es ja noch schwerer überprüfen. Die Leute, die Beuys´ Werk und ihn als Person kannten, wissen ganz genau, dass diese Vorwürfe haltlos sind.
Wie politisch kann Kunst heute sein?
Wenn Kunst nicht politisch sein kann, dann haben wir den ganzen Sinn versäumt. Kunst muss sich einmischen und Stellung beziehen. Künstler müssen sensibel sein und vordenken können. Zu meiner größten Verwunderung haben die Künstler in Deutschland vor dem zweiten Weltkrieg intellektuell versagt
Gibt es in der Kunst noch Dinge, die Sie wirklich schockieren können?
Schock ist das falsche Wort, denn das ist eine nur kurzfristige Reaktion. „Bewegen“ ist ein wesentlich besseres Wort, weil es in die Tiefe geht. Wenn Kunst nicht mehr in der Lage ist, wirklich zu bewegen und jemanden aus der allgemeinen Betrachtung herauszureißen, dann wären wir in der falschen Richtung unterwegs. Das muss einfach so sein und ich hoffe, dass das auch noch lange so bleibt.
Thaddaeus Ropac gilt als eine der erfolgreichsten Galeristen weltweit. Sein 1983 eröffnetes Salzburger Stammhaus befindet sich in der Villa Kast am Mirabellplatz.
Seit 1990 ist die Galerie auch in Paris in der Nähe des Musée Picasso vertreten.
Im Oktober 2012 eröffnete Ropac im nordöstlich von Paris gelegenen Vorort Pantin einen weiteren Ausstellungsort. In einer ehemaligen, heute denkmalgeschützen Kesselfabrik stehen 4700 m² zur Verfügung. 2.000 davon sind Ausstellungsfläche, der Rest wird für Performances und Tanz genützt.
Als Person verbindet den gebürtigen Kärntner mit Salzburg sehr viel. „Mir liegt sehr viel an dieser Stadt“, sagt er. Immer wieder hat er sich deshalb auch persönlich in verschiedenste Initiativen eingebracht: Schenkungen für Museen, ein Engagement bei den Salzburger Festspielen und vieles mehr.