„Brutal schöne Momente“
Mit seiner Silbermedaille im Sprint leitete Dominik Landertinger das Wintermärchen des österreichischen Biathlon-Teams in Sotschi ein. Als Schlussläufer in der Staffel sorgte er für die Draufgabe. Ein Gespräch über Mega-Leistung, schwarze Schafe und die Angst vor dem letzten Schießen.
Silber im Sprint, Bronze mit der Staffel – Sind Sie zufrieden mit der Ausbeute?
Extrem zufrieden. Eine Medaille war das Ziel, geworden sind es zwei. Ein großer Erfolg. Bei der Dichte in diesem Sport ist es ja sehr schwierig, überhaupt eine Medaille zu holen.
Sie gelten als jemand, der sich die Latte sehr hoch legt. Wäre noch mehr drin gewesen?
Natürlich will man immer mehr, aber man muss dabei auch realistisch bleiben. Ich war 1,3 Sekunden hinter der Goldmedaille, aber hinter mir waren zehn andere Leute, die um ein paar Sekunden die Silberne verpasst haben. Es kann sehr schnell gehen und man ist nur Vierter. Ich bin einer, der am Boden bleibt.
Sie haben mal gesagt, Bescheidenheit sei für einen Sportler besonders wichtig. Mussten Sie sich die erarbeiten oder waren Sie immer schon bescheiden?
Wenn man einmal – so wie ich nach Vancouver 2010 – zwei schlechte Jahre gehabt hat, verschiebt sich alles ein bisschen. Man ist plötzlich auch mit einem Top 10-Platz zufrieden, weil es einfach eine Mega-Leistung ist, die man erst einmal bringen muss. Aber letztlich muss jeder Sportler für sich selbst entscheiden, womit er zufrieden ist oder nicht.
Wie geht man damit um, wenn trotz aller Bemühungen die Erfolge ausbleiben?
Man muss aufpassen, dass man sich nichts von anderen einreden lässt. Jeder will dir sagen, woran es liegt und was man anders machen soll. Gerade in solch einer Situation aber ist es am Wichtigsten, auf sich selbst zu hören. Man muss das tun, was man selber für richtig hält und auf die eigene Analyse vertrauen.
„Nervös ist jeder, und alle haben beim letzten Schießen die Hosen mehr oder weniger voll“
War die Erleichterung groß, als sie die erste Medaille für Österreich geholt haben?
Auf jeden Fall. (lacht) Es ist mir ein riesiger Stein vom Rücken gefallen.
Gehen wir zum Teambewerb: Ein spannendes Rennen und Werbung für den Biathlon. Man hört immer wieder, eine Medaille in der Staffel sei etwas ganz Besonderes. Warum eigentlich?
Wenn ich für mich ein Rennen verhaue, dann ist das mein Problem. Als Teil der Staffel aber zieht man, wenn man keine Leistung bringt, drei andere mit runter. Das tut noch mehr weh und macht einen sehr nervös. Insofern ist die Staffel die Königsdisziplin. Die Einschaltquoten waren auch unvorstellbar hoch, weil es für den Zuschauer wahnsinnig spannend ist. In dieser Disziplin für Österreich und für das Team eine Medaille zu holen, ist einfach etwas ganz Besonderes.
Sie waren Schlussläufer und sind als Vierter ins Rennen gegangen. Was geht einem da durch den Kopf?
Nicht viel. Beim letzten Schießen habe ich mir dann gedacht: „Wir sind vier, einer zieht die „Arschkarte“. Wäre toll, wenn das nicht ich bin.“ Nervös ist jeder, und alle haben beim letzten Schießen die Hosen mehr oder weniger voll. Insofern ist es ausgeglichen: Alle haben dieselbe Angst. Da hab´ ich mich ganz auf mich konzentriert und Schuss für Schuss runtergearbeitet. Gott sei Dank hat es gereicht.
Für Christoph Sumann (38) und Daniel Mesotitsch (37) war die Staffel das letzte olympische Rennen. Muss man sich als Fan Sorgen machen oder rücken genügend junge Talente nach?
Wir haben schon ein paar Junge, die nachrücken. Trotzdem müssen wir noch mehr in die Jugend investieren. Richtig sorgen muss man sich nicht, aber es ist auch keine „gmahde Wiesn“.
Wie oft denken Sie noch an Ihren Staffel-Zieleinlauf?
Das sind schon brutal schöne Momente. Richtig genießen kann ich es, glaube ich, aber erst im April, wenn alles vorbei ist und ich in Ruhe über alles nachdenken kann. Ich hatte eine Mega-Saison: Zwei Medaillen bei Olympia. Aber auch im Gesamtweltcup bin ich auch ganz vorne dabei, unter den besten Fünf. Vielleicht gehen sich sogar noch die Top Drei aus.
Wie war Sotchi aus der Sicht des Sportlers? Hat man etwas von den enormen Spannungen, die es ja schon vor der Ukraine-Krise gab, mitbekommen?
Nein, man hat gar nichts mitgekriegt. Für mich waren das auch die besten Olympischen Spiele, an denen ich bislang teilgenommen habe. Man hat von den enormen Sicherheitsvorkehrungen nichts gemerkt und es war alles einwandfrei organisiert. Die Leute waren äußerst freundlich und man konnte einfach alles haben. Die Medien sind teilweise sehr unfair in ihrer Berichterstattung gewesen.
Leider gab es wieder Doping-Fälle, darunter mit Johannes Dürr auch einen österreichischen. Wie haben Sie das erlebt?
Das ist natürlich sehr bitter und hat uns alle schockiert. Im Endeffekt kann man aber wenig machen, weil es überall – ob nun in Wirtschaft, Politik oder eben im Sport – immer schwarze Schafe geben wird. Und letztlich muss ich als Athlet auf mich schauen und habe auf das, was andere Leute machen, keinen Einfluss.
Im Radsport wird heute schon beinahe jede Spitzenleistung angezweifelt. Wie weit ist man bei den Nordischen von solch einem Generalverdacht entfernt?
Ich denke nicht, dass man das vergleichen kann. Gerade im Langlauf kann man mit dem Material extrem viel machen. Wenn Form und Ski passen und du einen perfekten Tag hast, gibt es viel Luft nach oben. Das hat nichts mit Doping zu tun. Und mit diesem Generalverdacht muss man aufhören. Wenn einer schnell läuft, gleich zu sagen, dass der etwas nimmt, ist extrem unfair. Man kann aus einem Körper so viel rausholen, das kann sich ein Nichtsportler gar nicht vorstellen.
Biathlon ist also sauber?
Im Großen und Ganzen ist unser Sport extrem sauber, da bin ich mir sicher. Durch das Schießen im Biathlon ist die Situation auch eine ganz andere als etwa beim Radfahren. Es geht nicht nur um Ausdauer.
Ein Hobbysportler kann sich auch die Qualen, die ein Spitzensportler auf sich nimmt, nicht vorstellen. Wofür machen Sie es? Für das Hochgefühl, wen man im Rennen merkt, man kann vorne mitmischen? Um die Hymne zu hören?
Ich habe Biathlon in der Skihauptschule begonnen und festgestellt, dass mir Leistungssport liegt. Ich bin damit also mehr oder weniger aufgewachsen. Auch meine ganzen Freunde waren/sind Sportler. Und wenn man in guter Form ist, kann man den Leistungssport sehr genießen. Seinen Körper regelmäßig ans Limit zu bringen und zu pushen, ist für mich ein Genuss, und der Kampf Mann gegen Mann eines der geilsten Gefühle überhaupt.
Sie genießen wirklich jeden Tag, auch wenn Sie hart trainieren?
Training ist für mich keine Arbeit, sondern Hobby. Ich trainiere auch im Urlaub. Ich erfreue mich einfach daran, draußen sein zu können. Sicher gibt es auch zähe Tage, aber selbst dann ist mein Ehrgeiz so groß, dass ich es einfach trotzdem durchziehe.
Was sind Ihre nächsten Ziele? Ist es schwer, nachdem man soviel erreicht hat, neue zu definieren?
Nein, auf keinen Fall. Das nächste Riesenziel ist Hochfilzen 2017. Das Jahr darauf sind gleich die nächsten olympischen Spiele. Und jedes Jahr gibt es eine Biathlon WM. Es gibt noch genügend Ziele für mich. Nächstes Jahr z.B. der Gesamtweltcup.
Wie wichtig ist ein perfektes Umfeld, um Spitzenleistungen zu bringen?
Extrem wichtig. Für mich ist Wüstenrot der beste Sponsor, den ich mir nur vorstellen kann. Gerade im Ausdauersport ist es wichtig, einen Sponsor zu haben, der einen nicht ständig von A nach B zu Veranstaltungen und Terminen schickt. Wir stecken so viel Energie ins Training, da braucht man auch Zeit zum Regenerieren. Wüstenrot gibt mir diese Zeit und stärkt mir den Rücken – das war auch in den Jahren, in denen es bei mir nicht gut lief, so.
Wie kann man sich Dominik Landertinger als Privatperson vorstellen? Was ist Ihnen wichtig?
Viel Zeit mit meiner Partnerin und meine Freunden zu verbringen. Und die größte Entspannung ist für mich die Heimat: Berge, frische Luft und Hausmannskost. Ich bin großer Österreich-Fan. Wenn man so wie ich viel unterwegs ist, lernt man das Zuhause ganz besonders zu schätzen. Das erdet mich.