Alfons Haider: Keine Zwänge
Haider fasziniert, Haider polarisiert. Kaum jemand, der den Theater- und Fernseh-Star nicht kennt oder keine Meinung zu ihm hat. Dabei ist der Wiener vor allem eines: Vollprofi. Ein Gespräch über gutes Entertainment, politische Meinung und Marillenmarmelade.
Herr Haider, auf Ihrer Homepage geben Sie als Berufsbezeichnung „Entertainer, Schauspieler und Sänger“ an. Bei Ihnen kommt der „Entertainer“ zuerst. Warum?
Es gibt ja dieses Schachteldenken: Schauspieler dürfen nicht singen, und als Schauspieler moderieren darf man schon gar nicht. Viele Menschen, die mich kennenlernen, fragen mich auch, was ich denn als Beruf gelernt hätte. Daran, dass ich neun Jahre an der Josefstadt war und fünf Jahre am Volkstheater, in Deutschland den Hamlett gespielt habe, erinnern sich die wenigsten. Opernball, Lifeball, Dancing Stars, Kaisermühlen Blues und Licht ins Dunkel – das ist es, woran man sich bei mir erinnert. Günter Tolar hat bei meinem ersten Opernball zu mir gesagt: „Jetzt gehörst du den Filzpantoffeln des Landes!“ Zuerst wollte ich das nicht glauben, aber es ist wirklich so: Das Fernsehgesicht erdrückt alles andere. Ich finde, dass „Entertainer“ eine Auszeichnung ist.
Was macht einen guten Entertainer aus?
Ein Entertainer ist jemand, der alle Fächer beherrscht. Und ein Entertainer steht auch dann noch auf der Bühne und macht Stimmung, wenn das Theater längst brennt.
Sie sind jemand, der immer wieder auch öffentlich seine politische Meinung kundtat und dafür auch das eine oder andere Mal aneckte. Der Künstler und die Politik – verträgt sich das überhaupt?
Hans Holt war da ein großes Vorbild für mich. Er hat einmal – da war ich glaube ich 35 – zu mir gesagt: „Unterhaltung, Alfons, besteht aus zwei Worten: Unter und Haltung. Da habe ich verstanden, dass Unterhaltung auch Haltung bedeutet. Ich habe nie nachvollziehen können, warum große Künstler sich zu gewissen gesellschafts- oder weltpolitischen Themen nicht zu Wort melden. Als Fernsehstar hast du keine politische Meinung zu haben? Schwachsinn. Ein Mediengesicht sollte genauso sagen können, wenn ihm etwas politisch aufstößt.
Aber wie dünn ist das Eis? Sie selbst haben durch ihre öffentlich kundgetane Meinung Einbußen bei Werbeeinnahmen hinnehmen müssen.
Eines ist klar: Wenn ich als Moderator in einer Liveshow für den ORF unterwegs bin, habe ich keine persönliche politische Meinung zu haben. Ich kann nicht von einem Ball oder einer Bühne aus politisieren – es sei denn, es wird jemand beschimpft oder gar attackiert. Dann muss ich reagieren. Abgesehen davon aber habe ich mich immer gegen Ausländerhass und Homophobie eingesetzt – und das war und ist ein zweischneidiges Schwert und eine Gratwanderung, ohne bewusst zu provozieren oder anzuecken. Trotzdem: Es ist schwierig, aber doch möglich auch in diesem Land eine freie Meinung äußern zu dürfen. Ich glaube dass der ORF speziell in den letzten fünf Jahren auch viel offener geworden ist.
In Deutschland hat sich gerade der erste Fußballspieler geoutet (wohlgemerkt, nachdem er seine Karriere beendet hat), in den USA gibt es einen offen schwulen Football-Spieler. Denken Sie, dass sich seit Ihrem Outing etwas in die richtige Richtung bewegt hat?
Bei meinem Coming damals – da war ich vierzig – sagte ein großer Zeitungsmensch zu mir: „Ja, sind Sie denn wahnsinnig? Wir haben es eh alle gewusst, aber zugeben darf man das doch nicht!“ Das war 1997. Wenn ich mit jungen Leute spreche, merke ich, dass die das heute schon ganz anders sehen. Andererseits: In einem Land mit acht Millionen Einwohnern gibt es offiziell nur vier, fünf prominente gleichgeschlechtlich Liebende? Das kann nicht sein, denn angeblich sind zwischen 8-10% der Menschen in diesem Land homosexuell. Es ist daher immer noch so, dass es sich nur ein kleiner Bruchteil zuzugeben traut. Und stellen Sie sich vor, Conchita hätte den Songcontest nicht gewonnen, sondern wäre nur vorletzte geworden. Da hätte es dan geheißen: „Na kloa, is jo peinlich – Frau mit Bart, schwul“ usw. Aber nein: Sie hat gewonnen! Und plötzlich hieß es: WIR haben gewonnen.
Was war Ihrer Meinung nach auschlaggebend für den Sieg?
Das Zusammenspiel aus Provokation und das Nichtverstehenwollen, dass hier eine fantastisch schöne Frau einen Bart hat, mit einem fantastischen Song und einer genialen Stimme. Ich habe viel von Conchita gelernt in den letzten sechs Monaten. Jemand, der mit so vielen brutalen Anfeindungen so toll umgeht und nie negativ reagiert. Ich meine sie ist 25 Jahre alt. Woher hat sie nur diese Kraft? Und diese Klugheit? Sie ist ein Vorbild. Jemand, der genau weiß, was er will. Und sie wird es hoffentlich weit schaffen.
Gehen wir zu Ihrem eigenen, aktuellen Programm: „Appsolute Haider“. Bekommen wir dort den wahren, ungeschminkten Alfons Haider zu sehen?
Irgendwie schon. Das Programm enstand, indem ich Regisseur und Texter in vielen Sessions über mich und was mich ausmacht erzählt habe. Dinge die ich mag und nicht mag. Warum ich keine Computer mag, Angst vor Handys und neuen Medien habe usw. Das haben wir immer und immer wieder aufgeschrieben. Herausgekommen ist dieses Programm. Und ich muss sagen, es vergeht kein Tag, an dem mich die Realität nicht erschüttert: Ein Journalist schreibt, dass Google den Vatikan kaufen wird. Oder das es Probeläufe mit in Händen eingebauten Microchips gibt, damit wir an der Kassa nicht mehr zahlen müssen. Genau das, was mir Angst macht, ist also die Zukunft, scheint es. Durch diese ständige Überwachung, Standortkontrolle und Kaufverhaltensanalyse geht einem ja das wichtigste verloren: Die Freiheit! Auch dass man im Internet anonym Leute beschimpfen kann, ist keine gute Entwicklung. Wo führt das noch hin und wann hört das auf?
Wurden Sie selbst schon mal Opfer eines so genannten „Shitstorms“?
Das nicht, aber nach jeder Show, nach jedem Zeitungsartikel, gibt es anonyme Postings, in denen ich beschimpft werde. Das geht einfach nicht. Es ist mir ja egal, wenn mir ein Herr Müller/Mayer/Huber einen Brief schreibt und ich reagieren kann. Aber nur anonym?
Sind Sie selbst Facebook-User?
Ja, seit ca. einem Monat, um es kennenzulernen. Der Teufel erwischt auch mich. Ich nehme also auch das Handy in die Hand und schau auf Facebook, was los ist und was sich tut. Es hat ja auch positive Seiten: Ich habe durch Facebook Menschen wieder gefunden, die ich im Laufe meines Lebens verloren hatte. Aber man wird halt auch mit so viel Dreck zugeschüttet… Es ist alles in allem eine Droge und ich werde es auch wieder einstellen, sobald ich mit dieser Show fertig bin.
Gehen wir zum Wohnen: Wieso wohnen Sie in einer Penhousewohnung?
Zufall. Ich wollte vor ca. zehn Jahren aus meiner alten Wohnung raus, weil ich es aus Lärmbelästigungsgründen dort nicht aushielt. Eine lange und schwierige Suche begann. Doch ich hatte großes Glück: Der Besitzer dieser Wohnung hier war ein Fan.
Der größte Vorteil am Dachgeschoss?
Den Himmel zu sehen. Aber der Vorteil so hoch zu leben liegt auch darin, dass man wunderbar anpflanzen kann. Tomaten etwa. Und zwei Jahre lang habe ich auch versucht Marillen wachsen zu lassen. Daran bin ich aber immer wieder gescheitert. Heuer hat es zum ersten Mal geklappt: 124 Marillen haben das Licht der Welt erblickt, und ich hab sie selbst eingekocht. Darüber hab ich mich gefreut wie ein kleiner Bub. Klingt vielleicht blöd, dass ich mich so über neun kleine Gläser Marillenmarmelade freue. Aber das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich etwas erzeugt habe, das ich selber essen konnte und geschmeckt hat.
Welchen Stellenwert hat das Wohnen bei Ihnen?
Das ist mitunter das Wichtigste im Leben. Meine Wohnung ist sowohl Arbeits- als auch Rückzugsgebiet. Zwei Drittel meiner Proben bestreite ich hier. Oft renne ich hier in der Unterhose herum und zitiere Hamlet oder moderiere den Opernball mit Mirjam. Und es ist wichtig, dass man zu Hause seine Batterien aufladen kann. Und wo kann man schon so schön wohnen, wie in Wien? Wo gibt es bitte ein Land – eigentlich ein Verbrechen – in dem mit Hochquellenwasser die Häusln spült?
Was ist ihnen stilistisch beim Wohnen besonders wichtig?
Dass ich keinem Stil folgen muss. Auch modisch unterwerfe ich mich nie einem Zwang. Mir ist egal, was ein Lagerfeld sagt. Ich mische Altes mit Neuem, Junges mit ganz Jungem. Das einzige, was mir wirklich wichtig ist, ist Helligkeit.
Gibt es ein absolutes Lieblingssttück?
Die Bilder meines Vater sind mir besonders lieb und wichtig. Und die Elefanten, die ich sammle. Vor 25 Jahren habe ich eine Fernsehshow mit „Jumbo“, einer Elefantenkuh, gemacht. Darus entstand eine lange Freundschaft, während der ich erfahren durfte, wie zärtlich diese Tiere sind. Man glaubt nicht, wie einem fünf Tonnen so zärtlich entgegenkommen können. Unfassbar.
Gibt es eine Rolle, die sie unbedingt noch spielen wollen?
Ich würde schon gerne einmal wieder in Wien in einem großen Theater spielen.
Wie lange werden Sie noch auf der Bühne stehen?
Ich werde so lange weiter machen, so lange es das Publikum auch will. Und ich werde mir weiterhin nicht vorschreiben lassen, was ich tun oder lassen soll. Nächstes Jahr moderiere ich meinen 19. Opernball. Die 20 zu erreichen wäre nicht schlecht.
Vielen Dank für das Gespräch